Schiedsrichtergewinnung
ist ein Effekt vieler kleiner Maßnahmen

Wunschliste an die Schiris

Eike Schneider (grünes Trikot) war mal Schiedsrichter und schlüpfte bei der B-Lizenz-Ausbildung nochmal in die Rolle des Unparteiischen. Um ihn herum sind ausschließlich Trainer, die sich in zweimal 90 Minuten „Schiri Insights“ mit der Perspektive der Referees beschäftigt haben.

„Ich habe noch nie eine Mannschaft erlebt, die sich asozial benommen hat, wenn sich ihr Trainer vorbildlich verhält.“
Portraits von dem Schiedsrichter Dajinder Pabla
Dajinder Pabla
Schiedsrichter und Trainer-Ausbilder

Trainerverhalten als Game-Changer?
Sie sind das Zünglein an der Waage. Die Trainerinnern und Trainer der Fußballmannschaften. Ganz gleich, ob es um die Europameisterschaft geht oder gegen den Abstieg in der Kreisliga. Mit ihrem Auftreten und Verhalten beeinflussen sie nicht nur die eigene Mannschaft, sondern das gesamte Umfeld.

„Ich habe noch nie eine Mannschaft erlebt, die sich asozial benommen hat, wenn sich ihr Trainer vorbildlich verhält“, sagt Schiedsrichter und Trainer-Ausbilder Dajinder Pabla. Zwar tickt auch dann mal ein Spieler aus, fliegt vom Platz und wird gesperrt. Aber es ist die Ausnahme. Umgekehrt sieht das schon ganz anders aus. Trainer, die draußen regelmäßig den „Hampelmann“ machen, haben fast immer verhaltensauffällige Teams. Dieses überträgt sich häufig auf die Zuschauer und schon herrscht eine angespannte, wenn nicht sogar aggressive Atmosphäre.“

Selbst, wenn der Coach ein ruhiger Vertreter ist, muss er in bestimmtem Situationen einfach eingreifen. Beleidigungen und Tätlichkeiten haben meistens eine Vorgeschichte. Trainer müssen hier sensibilisiert sein und präventiv auf ihre Mannschaft einwirken. Sollten sich Zuschauer unsportlich verhalten, so muss am besten die gesamte Mannschaft dagegen vorgehen. Das lässt sich aber nicht mal eben einfordern, sondern muss intrinsisch motiviert passieren. Auf der Straße würde man es Zivilcourage nennen. Geht das auch auf dem Sportplatz? – Hier sind die Vereine gefragt. Mit der Initiative „Schiris für Vereine“ unterstützt SchiriBlick unter anderem auch bei diesem Thema.

Härtere Strafen nur eine Seite der Medaille
Die oft geforderte Verschärfung der Regeln fand zuletzt bei der Europameisterschaft Anwendung. In bestimmten Momenten durften nur noch die Kapitäne mit den Schiris kommunizieren. Andere Spieler, die die Grenze überschritten, wurden verwarnt. Diese Regelanpassung hat Früchte getragen. Folgerichtig ist, dass sie anschließend auch in allen anderen Spielklassen, insbesondere auf Amateurebene, eingeführt wurde. Und trotzdem fühlt es sich noch nicht vollständig richtig an. Schließlich wird hier „nur“ ein Symptom bekämpft, nicht aber die Ursache. SchiriBlick spricht sich trotzdem ausdrücklich für die „Kapitänsregel“ aus, geht aber noch einen Schritt weiter.

„Verständnis kommt von Verstehen“
Seit der Saison 2022/23 ist SchiriBlick mit seiner Initiative „Schiri Insights“ in der Aus- und Fortbildung der B- und C-Lizenz im Schleswig-Holsteinischen Fußballverband tätig.

Zwar ist der Schiri-Part nicht neu, wurde aber neu gedacht. Pabla: „Wir sind mit einem neuen Konzept gestartet, welches bei den Teilnehmenden bisher sehr gut angekommen ist.“ Demnach stehen nicht mehr die Fußballregeln im Fokus, sondern das Miteinander. Mit dem Motto „Verständnis kommt von Verstehen“ gehen die Referenten von Schiri Insights mit den Teilnehmenden auf eine andere Ebene. Dabei wird auch mal kräftig diskutiert. „Wir wollen mehr auf das „Warum“ und das „Wie“ eingehen – und zwar aus beiden Perspektiven“, so Pabla. Die Referees haben bestimmte Vorstellungen, wie mit ihnen umgegangen werden soll. Und, genau das kommt bei den Lehrgängen im Uwe-Seeler-Fußball-Park in Bad Malente auch zur Sprache.

Gramoz Kurtaj (l.) pfeift bei der Ausbildung zur B-Lizenz zum ersten Mal ein Fußballspiel
Kommunikation auf Augenhöhe ist der Schlüssel für ein positives Miteinander
Oliver Jürk, B-Lizenz-Inhaber, war vom direkten Austausch mit den Schiris angetan
Ex-Profi und B-Lizenz-TN, Kenneth Kronholm, wird auf seinen Schiri-Einsatz vorbereitet
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Coaches äußern 20 Wünsche an die Unparteiischen
Miteinander bedeutet, dass beide Seiten aufeinander zugehen müssen. Daher nehmen die Referenten bei jedem Lehrgang 3 Wünsche der Coaches an die Schiris auf. Bisher wurden über 700 Coaches gefragt. Die Antworten werden nicht nur im Folgenden kurz und unkommentiert vorgestellt, sondern fließen auch in die Aus- und Fortbildung der Schiris im Land mit ein.

Wunschzettel an die Schiris:

  1. Schiris sollten mehr Bereitschaft für Kommunikation mitbringen.
  2. Eine klare und einheitliche Linie, damit bei gleichen Vergehen, gleiche Sanktionen erwartet werden können.
  3. In höheren Spielklassen sollten die Schiris erfahrener sein.
  4. Schiris sollten selbst mehr spielen, um ein Gespür für Situationen zu bekommen.
  5. Schiris sollten ruhig und aktiv kommunizieren.
  6. Sie sollen Bock haben, Schiri zu sein.
  7. Schiris sind zu intransparent.
  8. Sie brauchen mehr Fingerspitzengefühl und Situationsbewusstsein.
  9. Sie sollen sich nicht so wichtig nehmen.
  10. Zeitspiel muss konsequent geahndet werden.
  11. Entscheidungen sollten kurz erklärt werden.
  12. Schiris sollten mehr praktisch auf Situationen vorbereitet werden, z. B. im Stressraum.
  13. Die Qualität der Schiris muss wieder höher sein.
  14. Es braucht bessere Menschenführung und Kommunikation auf Augenhöhe, gerade bei jungen Schiris.
  15. Junge Schiris sollten im eigenen Verein anfangen. Dort haben sie kurze Anreisen und ein geschütztes Umfeld. Die Spiele sollten angerechnet werden,
  16. Schiris sollen Spieler mehr schützen.
  17. Bei besonderen Spielen, auch in den unteren Klassen und der Jugend, sollte auf eine passende Ansetzung geachtet werden.
  18. Mehr Spielklassen sollten Schiedsrichter-Assistenten haben.
  19. Schiris sollen offener und ehrlicher sein. Entscheidungen, Gedankengänge und auch Fehler dürfen gerne mal erläutert werden.
  20. Gespräche mit Trainern nach den Spielen annehmen, sofern Sachlichkeit vorliegt.

Die oben genannten 20 Wünsche beziehen sich auf den Amateurbereich von der Oberliga bis zu den Kreisklassen und Jugendstaffeln. Vereinzelt wurden noch Wünsche an den Profibereich gerichtet. Diese bezogen sich vor allem auf den Videobeweis. Hier sollen laut der Amateur-Coaches ehemalige Spieler einbezogen und Challenges eingeführt werden.

(Artikel von August 2024)